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Jugendstil

 

Eine Stilrichtung in Kunst und Kunstgewerbe zwischen 1890 und 1914, die in Frankreich unter dem Begriff «Art Nouveau», in England unter «Modern Style», in Österreich unter «Secessionsstil» und in Spanien unter «Modernismo» bekannt ist. Die deutsche Bezeichnung «Jugendstil» leitet sich von der deutschen Kunstzeitschrift «Jugend» ab, die von 1896 bis 1920 in München erschien, der französische Begriff Art Nouveau von der gleichnamigen Galerie des Kunsthändlers Salomon Bing in Paris.

Als Reaktion auf den verbrauchten Historismus des späten 19. Jahrhunderts verstand sich der Jugendstil zunächst als Erneuerungsbewegung des Kunstgewerbes. Nicht mehr das beliebig kombinierbare Stilgemisch vergangener Epochen stand im Vordergrund, sondern die Suche nach originären, zeitgemäßen Formen (Form), angeregt durch das Qualitätsdenken des englischen Arts and Crafts Movement von William Morris und John Ruskin. Rasch breitete sich der Impuls des Jugendstil auf alle Bereiche der Kunst, auf Architektur und Möbeldesign, Plakat- und Buchkunst, auf Theater, Literatur und Musik aus.

Einflüsse des Neoimpressionismus, des japanischen Farbholzschnitts wie auch des Symbolismus wurden aufgenommen und in pflanzenartig rankende Formelemente, Pastellfarbtöne und bisweilen verspielte Ornamentik (Ornament) umgewandelt. Die Liebe zum schmückenden Dekor und zur flächigen Arabeske - aus pflanzlichen Vorbildern entwickelt, oft als gegenstandsloses Ornament - charakterisiert alle Formen der Jugendstilkunst. Die dynamisch geschwungene Linie galt als grundlegendes Element, auf das sich die künstlerische Formensprache gründete. Das Anliegen der Jugendstilkünstler bestand darin, durch eine sinnliche Ausstrahlung ihrer Arbeiten zu überzeugen, wobei den Motiven Bewegung und Metamorphose große Bedeutung zukam.

An der Popularität des Jugendstil waren diverse neu gegründete Kunstzeitschriften beteiligt: «Revue Blanche» (1891-1903, Paris), «The Studio» (ab 1893, London), «Pan» (1895-1900, Berlin), «Jugend» (1896-1920, München) oder «Simplicissimus» (ab 1896, München). Als führender Theoretiker übte darüber hinaus Henry van de Velde zentralen Einfluss auf den deutschen Jugendstil aus, der insbesondere in den Bereichen Architektur, Möbeldesign und Inneneinrichtung sichtbar wird. Grundsätzlich kann der Jugendstil als eine Strömung charakterisiert werden, die sich an der Idee des Gesamtkunstwerks orientiert, dem Zusammenspiel aller Künste und der wechselseitigen Durchdringung von Kunst und Handwerk.

Neben Paris, Brüssel und Barcelona entstanden die großen Zentren des Jugendstil in Darmstadt, München und Wien. Durch mäzenatische Förderung des Großherzogs Ernst Ludwig konnte auf der Mathildenhöhe in Darmstadt die heute noch in ihrer architektonischen Anlage erhaltene «Darmstädter Kolonie» entstehen - ein enger Zusammenschluss verschiedenster Künstler unter Peter Behrens und Joseph Maria Olbrich. In München wirkten neben Behrens auch August Endell, Hermann Obrist und Richard Riemerschmid, wobei im Bereich der Architektur die Gestaltung des Fotoateliers «Elvira» (1897/98, zerstört) von Endell zu erwähnen ist. Der Wiener Jugendstil ist in seiner strengen, geometrischen Funktionalität von der englischen Variante geprägt. Das ästhetische Prinzip der 1903 von Josef Hoffmann und Koloman Moser gegründeten Wiener Werkstätten beruht auf der Dominanz von horizontalen und vertikalen Gestaltungsprinzipien. Eine fundamentale Rolle spielte überdies die 1897 von Gustav Klimt gegründete Wiener Secession. Außerdem sind die Architekten Adolf Loos und Otto Wagner sowie Frühwerke Oskar Kokoschkas aufzuführen. In Paris genossen das dekorativ-schillernde Schmuckdesign von René Lalique sowie die farbenreichen Glasarbeiten von Emile Gallé und den Brüdern Auguste und Antoine Daum breite Anerkennung. In der Malerei sind dekorative Bilder von Gustave Moreau und Odilon Redon hervorzuheben, die eine enge Verbindung zum Symbolismus herstellen.

Als wichtige Maler des Jugendstil gelten ferner beispielsweise Pierre Bonnard oder Maurice Denis. In der Plakatkunst sind die berühmten Arbeiten von Henry de Toulouse-Lautrec und Alfons Mucha zu nennen, darüber hinaus die Buchkunst Melchior Lechters und die Typografie Otto Eckmanns. Zu den bekanntesten Werken des Kunstgewerbes rechnen die floralen Glasvasen und Lampen des Amerikaners Louis Comfort Tiffany. Im Bereich des Interior Designs zählt das Treppenhaus des Hôtel Solvay in Brüssel (1895-1900) von Victor Horta zu den herausragenden Beispielen.

Neben dem Impressionismus hat der Jugendstil an der Entwicklung der Moderne wesentlichen Anteil. Er fand im französischen Art déco der 20er-Jahre seine Fortsetzung, während die Idee der Synthese aller Künste am Bauhaus weiterlebte. © Königsdorfer Medienhaus, Frechen (René Zey)

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